Vertrauen ins Leben, das möchte aktion leben tirol ungeborenen Kindern mit der vorgeburtlichen Schwangerschaftsbegleitung geben. Sich bereits im Mutterleib willkommen geheißen zu fühlen und als eigenständiges Wesen wahrgenommen zu werden, gibt Sicherheit und Stabilität. Mit diesem Projekt möchte aktion leben tirol einen wertvollen Beitrag für eine Gesellschaft des liebevollen Miteinanders schaffen.

„Die Pränatalzeit ist nicht irgendein Forschungsgegenstand. Wir beschäftigen uns mit dem sensibelsten, beglückendsten, aber auch verwundbarsten Entwicklungsraum. Wir alle haben diese Zeit erlebt, tragen sie in uns. Sie wirkt. Mehr als wir meinen und erahnen.“ (Reiter 2009: 107)

1. Worum geht es?
Beim eingereichten Projekt geht es darum, schwangeren Frauen, die sich durch materielle Sorgen, Ängste und Beziehungsprobleme belastet fühlen, die Bindungsanalyse (auch vorgeburtliche Beziehungsförderung genannt) als eine besondere Form der Schwangerschaftsbegleitung zu ermöglichen. Ein weiteres Ziel ist es, die Bindungsanalyse in Tirol bekannter zu machen und damit ein besseres Bewusstsein für die prägende Zeit der Schwangerschaft zu schaffen.

Die Bindungsanalyse wurde von den zwei Psychoanalytikern Dr. György Hidas und Dr. Jenö Raffai begründet. Über ihre Arbeit mit Jugendlichen, die unter Persönlichkeitsstörungen litten, erkannten sie den prägenden Einfluss der Schwangerschaftszeit auf das spätere Leben. Sie entwickelten den Mutter-Embryo-Dialog als Präventivkonzept gegen spätere Störungen. Heute sind sich immer mehr Forschungszweige (wie Neurobiologie, Verhaltensbiologie und besonders die pränatale Psychologie) einig, dass die Zeit im Mutterleib bestimmend für unser ganzes weiteres Leben ist. Ob wir als Menschen zu Wohlbefinden und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) neigen oder eher zu Ängstlichkeit, und depressiver Verstimmung, wie wir zu anderen Menschen in Beziehung treten, darauf haben Schwangerschaft und Geburt einen wesentlichen Einfluss.

Welch wertvolle Auswirkungen die Bindungsanalyse auf den Geburtsverlauf, auf die Gesundheit des Kindes und auf seine emotionale Stabilität im späteren Leben hat, zeigen die Rückmeldungen von Hebammen, Ärzten und Eltern:
• weniger Frühgeburten
• weniger Kaiserschnittentbindungen
• die Notwendigkeit für geburtshilfliche Eingriffe nimmt ab
• die Babys haben eine bessere Selbstregulation
• sie weinen weniger oft und weniger lange
• das Stillen gelingt in den meisten Fällen
• postpartale Depressionen bei den Müttern sind nicht bekannt

2. Ablauf der Bindungsanalyse
Im Idealfall beginnt die Bindungsanalyse rund um die 20. Schwangerschaftswoche und umfasst insgesamt 20 bis 25 Einheiten zu jeweils 60 Minuten. Sie wird von einer qualifizierten Bindungsanalytikerin durchgeführt und besteht aus drei Phasen:

2.1 Anamnesephase
Die Anamnesephase dient dazu, in einem strukturierten Gespräch zwischen Beraterin und Klientin umfassende Informationen (Familiengeschichte, soziales Netz, Partnerschaft …) zu generieren und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

2.2 Babystunden
Sie sind das Kernstück der Bindungsanalyse und finden wöchentlich statt. In den Babystunden geht es darum, sich auf einen Dialog/Austausch mit dem Kind einzulassen. Zu Beginn jeder Stunde bleibt auch Zeit, um wichtige Themen und aktuelle Ereignisse zu besprechen. Im Idealfall wird der Vater in die Babystunden eingebunden.

2.3 Abschlussphase
Diese Phase beginnt ca. in der 36. Schwangerschaftswoche und dient dazu, sich von der Schwangerschaft zu verabschieden und sich gemeinsam auf die Geburt und die Zeit danach vorzubereiten.

3. Warum profitieren Frauen und Kinder?
Die vorgeburtliche Beziehungsförderung trägt wesentlich zu einer gefestigten Bindung zwischen Mutter und Kind bei. Gerade Frauen, die von finanziellen Sorgen belastet sind, die selbst eine problematische Familiengeschichte oder Beziehungsprobleme erlebt haben, fällt es oft schwer, eine tragfähige Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Sie erlangen durch die Bindungsanalyse mehr Selbstkompetenz und fühlen sich nach der Geburt weniger oft überfordert. Das Kind erlebt sich dadurch als angenommen und geliebt.

4. Wie viele Menschen arbeiten an dem Projekt?
Der Verein aktion leben tirol bietet im Rahmen der Schwangerenberatung die Bindungsanalyse als eine besondere Form der Schwangerschaftsbegleitung durch eine ausgebildete Bindungsanalytikerin an. Die drei Mitarbeiterinnen bzw. die Schwangerenberaterin erkennen im Zuge der Schwangerenberatung, ob eine Bindungsanalyse für eine Klientin förderlich wäre und ob sie dazu überhaupt bereit ist. Anschließend sind sie bei der Kontaktaufnahme zur Bindungsanalytikerin, der weiteren Organisation und finanziellen Abwicklung behilflich.

5. Warum ist das Projekt nachhaltig?
Neben dem vorrangigen Ziel, durch die Bindungsanalyse eine gefestigte Beziehung mit den schon genannten positiven Auswirkungen zwischen Mutter und Kind aufzubauen, geht es beim Projekt auch darum, die vorgeburtliche Beziehungsförderung als eine besondere Form der Schwangerschaftsbegleitung in Tirol zu etablieren. Dies soll durch den Versand von Informationsmaterial (Folder, Begleitschreiben) an Gynäkolog*innen in Innsbruck Stadt und Land, an die gynäkologischen Ambulanzen in den öffentlichen Krankenhäusern, an das Hebammengremium Landesgeschäftsstelle Tirol und an Systempartner erreicht werden.

Literaturnachweis:
Buchebner-Ferstl, S., & Geserick, C. (2016). Vorgeburtliche Beziehungsförderung: Dokumentation von Erfahrungen mit der Methode der Bindungsanalyse. Österreichisches Institut für Familienforschung. ÖIF Forschungsbericht Nr. 18
Reiter A. (2009). Methodische, anthropologische und psychotherapeutische Fragen zu peri- und pränatalen Mutter-Kind-Dialogen. In: J. Prenatal and perinatal Psychology and Medicine. 21, 1/2, (S. 106 – 122).