Die Umsetzung des Projekts erfolgt durch das Österreichische Rote Kreuz – Freiwillige Rettung Innsbruck (im Folgenden: „Rotes Kreuz Innsbruck“, https://www.roteskreuz-innsbruck.at), das auch Nutznießer der Förderungen ist. Die Rechte an den Fotos liegen beim Roten Kreuz Innsbruck.

AUSGANGSLAGE
Der Rettungs- und Krankentransportdienst kann seit Entstehung früher rettungsdienstlicher Strukturen auf dem europäischen Festland ab Mitte des 19. Jahrhundert bis heute als männliche Domäne gelten und ist auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung ein tendenziell männlich konnotierter Bereich. Dieser Befund trifft auch auf das Rote Kreuz Innsbruck, heute insbesondere im Bereich des hauptberuflichen Regelfahrdienstes zu.

Seit Gründung des Roten Kreuzes Innsbruck als Rettungsabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck im Jahre 1907 (1925 „Freiwillige Rettungsgesellschaft Innsbruck“, ab 1975 „Freiwillige Rettung Innsbruck“) bis zum „Anschluss“ im Jahre 1938 waren Frauen weder im ehren- noch im hauptamtlichen Fahrdienst anzutreffen. Das rettungsdienstliche Fahrdienstpersonal war in zwei ehrenamtlich besetzten Dienstgruppen mit jeweils einem Gruppenführer und dessen Stellvertreter in taktischen Führungsfunktionen organisiert. Dazu kamen hauptberufliche Kraftfahrer und Stationsgehilfen. Mindestanforderung an die eigenständige Tätigkeit im Fahrdienst war die sog. „Samariterprüfung“ („Samariter“ als altertümlicher Begriff für den Sanitäter) im Anschluss an den „Samariterkurs“. Frauen kamen nur in Randbereichen der Tätigkeit des Roten Kreuzes Innsbruck, wie als seit 1911 unentgeltlich vermittelte Krankenpflegepersonen oder als aktive Mitglieder des Landes- und Frauenhilfsvereines vom Roten Kreuz für Tirol, der als Tiroler Ableger der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz freilich andere Organisations- und Tätigkeitsbereiche des Roten Kreuzes als den Rettungs- und Krankentransportdienst abdeckte, vor.

Auf Initiative der Vizepräsidentin des Landesvereines vom Roten Kreuz für Tirol, Ottilie Stainer, wurden von diesem im Jahre 1934 erstmals in der Geschichte des Rettungsdienstes in Tirol Frauen zu Sanitäterinnen ausgebildet. Das Interesse am ersten, für 07.05.1934 angesetzten, achtwöchigen „Samariterinnenkurs“ war enorm, auf den im April erfolgten Aufruf zur Teilnahme meldeten sich derart viele Interessentinnen, dass die Anzahl der Teilnehmerinnen auf 50 beschränkt werden musste. Die Absolventinnen bildeten den Grundstock für das sog. „Samariterinnenkorps“. Das Korps dürfte beim „Jugendtag“ Ende Mai 1934 erstmals öffentlich in Erscheinung getreten sein, bei den verschiedenen Luftschutzübungen der 1930er-Jahre war es regelmäßig vertreten. Bis März 1938 erwähnen zeitgenössische Blätter immer wieder die Versorgung von Verletzten durch Samariterinnen bei Ambulanzen oder als private Ersthelferinnen bei Unglücksfällen.

Im Oktober 1934 wollte Ottilie Stainer das Samariterinnenkorps – vermutlich um seine Mitglieder im Fahrdienst einsetzen zu lassen – der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck unterstellen. Der Engere Ausschuss der Rettungsgesellschaft (operatives Leitungsgremium) entschied allerdings, „die Samariterinnen der Rettungsgesellschaft möglichst fern zu halten“, „was allseits Zustimmung“ fand (Sitzung des Engeren Ausschusses vom 24.10.1934). Die Mitglieder des Ausschusses einigten sich stattdessen darauf, „mit dem Roten Kreuz [Tirol, Anm.] ein Übereinkommen zu treffen, lt. welchem die Samariterinnen vollkommen selbständige Organisation zu bleiben haben“. „Nur bei gewissen Veranstaltungen, wie grossen [sic] Kundgebungen, Unruhen, Notständen etc. Uebungen [sic] im Grossalarm [sic] usw. sollen die Samariterinnen fallweise zur Mithilfe herangezogen werden.“ (ibd.)

Während des Zweiten Weltkrieges wurden Frauen erstmals gezielt – neben Verwendung in der Versorgung von Militärangehörigen im Hinterland und im Luftschutz – auch im rettungsdienstlichen Fahrdienst eingesetzt, um kriegsbedingte Personalausfälle abzufedern. Organisatorisch gehörten sie der – das betrifft das Rote Kreuz Innsbruck unmittelbar – weiblichen DRK-Bereitschaft Innsbruck, die neben einer männlichen Bereitschaft bestand, an. War die damalige Verwendung von Frauen im Fahrdienst auch dem Krieg geschuldet, so wurde er von den hauptsächlich wohl jungen Frauen sicherlich als emanzipatorischer Zugewinn persönlicher Freiheit erlebt. Er führte nach dem Krieg zu Diskussionen mit „Schwestern“, die weiterhin auch rettungsdienstlich tätig sein wollten. Tatsächlich lässt sich die Verwendung von weiblichem Personal im Rettungs- und Krankentransportdienst bis in die Nachkriegszeit hinein – nicht nur in Innsbruck – belegen. Dennoch wurden die Betätigungsmöglichkeiten der Frauen bei der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck, möglicherweise sogar erst ab 1953, auf Dienste bei Veranstaltungsambulanzen, außerordentlichen Notfällen (Großunfall- und Katastrophenlagen) und in der Bahnhofsambulanz beschränkt. Damit war man wieder auf den „status quo“ von Oktober 1934 zurückgefallen.

Die weibliche DRK-Bereitschaft dürfte nach dem Zweiten Weltkrieg einigermaßen nahtlos in eine Abteilung „Hilfsschwestern“, die als „Abteilung III” jahrzehntelang neben den beiden reorganisierten männlichen Abteilungen I und II bestanden hatte, übergegangen sein. Aus der Abteilung III erwuchs Schwesternpersonal u. a. für die Betreuung von Kriegsheimkehrern und die Verteilung ausländischer Spenden in der Nachkriegszeit, später für „Sozialdienst“, Ambulanzdienste, Katastrophenschutz u. a. Seit Bestehen eines Sprechfunksystems (1956) leisteten Mitglieder der Abteilung III traditionell die Leitstellendienste. In taktischen Führungsfunktionen waren Frauen ausschließlich im Rahmen der Abteilung III zu finden, das Bezirksrettungskommando war vollständig männlich besetzt.

Am Regelfahrdienst konnten Frauen nur als Dritte am Rettungswagen teilnehmen. Frauen gar am Steuer eines Rettungswagens wurden als widersinnig empfunden. Als in den 1970er-Jahren eine Schwester in einer Monatsversammlung (monatlich stattgefunden habendes Gremium unter Einbeziehung der Mitglieder) forderte, man möge Frauen Rettungswägen fahren lassen, erntete sie von Seiten der männlichen Mannschaft schallendes Gelächter. Erst 1988 wurden Frauen den männlichen Transportführern (Beifahrerin am Rettungswagen) gleichgestellt, 1991 durfte erstmals eine Frau die Einsatzfahrerausbildung absolvieren, seit dem Jahre 2000 dürfen Frauen beim Roten Kreuz Innsbruck hauptberuflich tätig sein und im Jänner 2019 wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Roten Kreuzes Innsbruck eine Frau Dienstführerin (Offizierin vom Dienst).

Die historische Rolle von Frauen im Rettungs- und Krankentransportdienst des Roten Kreuzes Innsbruck spiegelt sich in der heutigen geschlechtsspezifischen Verteilung in diesem Bereich wider: Unter den Hauptberuflichen beträgt die Frauenquote 10,45 %, bei der nicht-ärztlichen Besetzung des NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) durch Notfallsanitäter:innen 11,76 %. Der Frauenanteil im hauptamtlichen Rettungsdienst liegt damit weit unter dem im hauptberuflichen Verwaltungsdienst (47,06 %) oder deutlich unter dem der Servicezentrale (u. a. Hausnotruf) von 21,05 %. Dem gegenüber steht ein hoher Anteil an weiblichen Ehrenamtlichen im Rettungs- und Krankentransportdienst von 41,85 %, unter den Absolvent:innen des Freiwilligen Sozialjahres gar von 63,16 %. In annähernd dieser Höhe oder höher bewegt sich nur der Frauenanteil in ehrenamtlich besetzten Leistungsangeboten des Bereichs „Gesundheit und soziale Dienste“, bei denen es sich freilich fast durchgehend um traditionelle Frauendomänen handelt, die auch von der Öffentlichkeit tendenziell als „typisch weiblich“ wahrgenommen werden: Team-Österreich-Tafel: 59,15 %, Sozialbegleitung: 55,56 %, psychosoziale Akutbetreuung: 65 %, Besuchsdienst: 94,74 %, Therapiehundestaffel: 76,92 %, Bewegungsgruppe: 100 %, Kleiderkiste: 60 %. Unbeschadet des Umstandes, dass der Frauenanteil des ehrenamtlichen Personals für das NEF 0 % beträgt, kann der allgemein hohe Anteil von ehrenamtlichen Sanitäterinnen im Fahrdienst dem enormen Interesse von Frauen des Jahres 1934 am Kurs für „weibliche Samariter“, wie es zeitgenössisch hieß, sicherlich analog gesehen werden: Die Analogie mag ein Hinweis darauf sein, dass ein großes Interesse von Frauen, in der traditionell und im hauptberuflichen Teil nach wie vor männlichen Domäne „Rettungsdienst“ Aufgaben zu übernehmen, jedenfalls schon früh bestanden haben dürfte. Im Bereich einsatztaktischer Führungsfunktionen findet sich unter den hauptberuflichen Dienstführer:innen (Offizier:in vom Dienst) eine einzige Frau neben vier männlichen Dienstführern, im ehrenamtlich besetzen, allerdings dem Großunfall- und Katastrophenschutz zuzuordnenden Bezirksrettungskommando beträgt die Frauenquote nur 21,05 %.

Der Rettungs- und Krankentransportdienst ist ein Tätigkeitsbereich, der an seine Mitarbeiter:innen – ob ehren- oder hauptamtlich – mitunter erhebliche physische und psychische Anforderungen stellt. Dazu gesellen sich innerhalb und außerhalb des Einsatzfalles bereichsspezifische Verhaltensweisen und einsatztaktisch wie organisatorisch begründbare Hierarchien. Geschlechtsspezifische Diskriminierungen, die mit für den Bereich „Rettungsdienst” speziellen Strukturen zu tun haben mögen, zeitigen zunehmend die Aufmerksamkeit von Rettungsdiensten (vgl. z. B. diese Folge eines Rettungsdienst-Podcasts, die auf einer Umfrage zur geschlechtsspezifischen Diskriminierung von Frauen im Rettungsdienst, beruht: https://open.spotify.com/episode/0w1kpQuwi1G4jbxk9ZK9n5?si=aazmXZdsRBaYRbDPr6SzQQ; zu Frauen als Führungskräfte im Rettungsdienst vgl.: https://rettungsdienstfm.de/i-am-the-boss/ und https://kraitzpunkt.podigee.io/13-monika-mueller?fbclid=IwAR0nTtgZsWoYmOUUhETqj9FFRBwxriGSeCxzq0yOxVTn92JjAlOa03vMBe0). Beim Roten Kreuz Innsbruck sind bereits Maßnahmen im Gange, um geschlechtsspezifische Diskriminierung zu reduzieren. Unter dem Titel „#taktgefühl“ ist seit heuer ein Weiterbildungsangebot gemeinsam mit Expert:innen des Vereins „Frauen im Brennpunkt“ zunächst für Führungskräfte in Umsetzung, das für Ursachen, Wirkungen und Prävention von sexuellen Belästigungen sensibilisieren soll. Später wird das Seminarangebot allen Mitgliedern des Roten Kreuzes Innsbruck offenstehen.

PROJEKT
Geplant ist ein aus einem historischen und sozialwissenschaftlichen Teil bestehendes Projekt, das sich als Antwort auf die Diskrepanz zwischen dem niedrigen hauptberuflichen und dem hohen ehrenamtlichen Frauenanteil im Rettungsdienst sowie dem niedrigen Anteil von Frauen in taktischen Führungsfunktionen versteht. Im historischen Teil werden die konkreten Bedingungen, unter denen Frauen in der Vergangenheit beim Roten Kreuz Innsbruck tätig waren, sowie deren historische Rolle genauer erhoben als es bisher geschehen ist. Angenommen wird, dass die historischen Bedingungen, unter denen Frauen in der Vergangenheit beim Roten Kreuz Innsbruck tätig waren, wirkungsgeschichtlich zu heutigen Bedingungen geführt haben, die Frauen trotz erheblichen ehrenamtlichen Interesses am Rettungsdienst daran hindern mögen, auch den Beruf der Sanitäterin ergreifen zu wollen. Sowohl diese dem Roten Kreuz Innsbruck heutzutage inhärenten Bedingungen, die Handlungsspielräume von Frauen abstecken, als auch deren Einordnung in allgemeine gesellschaftliche Voraussetzungen, unter denen Frauen leben und die sie im gesellschaftlichen Leben fördern oder hemmen, sollen im sozialwissenschaftlichen Teil des Projekts untersucht werden. Dabei sollen auch rettungsdienstspezifische geschlechtsabhängige Formen der Diskriminierung in den Fokus der Untersuchung geraten. In diesem Zusammenhang wäre eine Integration der Maßnahmenkampagne „#taktgefühl” wünschenswert, die deswegen zusätzlich in den Förderantrag aufgenommen wurde.

Es ist geplant, den sozialwissenschaftlichen Teil des Projekts als Thema einer Bachelorarbeit in Zusammenarbeit mit einem fachlich einschlägigen Institut der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck oder des Management Centers Innsbruck an eine Student:in auf Werkvertragsbasis zu vergeben. Die Betreuung der Student:in von Seiten des Roten Kreuzes Innsbruck wird durch den Archivar der Freiwilligen Rettung Innsbruck in Vollzeitanstellung durchgeführt, in deren Rahmen auch der historische Teil des Projekts bedient werden wird.

ZIELE
Die Ergebnisse sollen zu einer dauerhaften Erhöhung des Frauenanteils im hauptberuflichen Rettungs- und Krankentransportdienst sowie in taktischen haupt- und ehrenamtlichen Führungsfunktionen des Roten Kreuzes Innsbruck führen. Um dies zu erreichen, sollen im Rahmen der Bachelorarbeit aus den Ergebnissen konkrete Maßnahmenempfehlungen zur Verbesserung der allgemeinen vereinsinternen Bedingungen für Frauen als auch zur aktiven Förderung von Frauen im Rettungsdienst abgeleitet werden, die vom Roten Kreuz Innsbruck umzusetzen wären. Ergebnisse und Maßnahmenempfehlungen sollen in eine Publikation Eingang finden, die anderen Rettungsdiensten als Handreichung zur Umsetzung eigener Schritte, um Chancengleichheit von Frauen gegenüber Männern im Rettungsdienst herzustellen, dienen möge.

Die Ergebnisse sollen zudem in einen thematisch frauenspezifischen Bereich einer in Planung befindlichen Dauerausstellung eines Rotkreuz-Museums Innsbruck einfließen. Ein solches wird als Teil eines Wachenneubaues („Rotkreuz-Zentrum Innsbruck“), der ab 2022 errichtet werden wird, die Innsbrucker Museumslandschaft voraussichtlich ab 2025 bereichern. Ein Ausstellungsbereich über die historische Rolle von Frauen beim Roten Kreuz Innsbruck und Tirol ist bereits Teil des in Arbeit befindlichen Museumskonzepts. Bis zur Fertigstellung des Museums kann der aus dem gegenständlichen Projekt erwachsene Ausstellungsbereich sowohl intern – ähnlich bereits vier in Lehrsälen des Roten Kreuzes Innsbruck präsentierten Vitrinen zu historischen Themen – als auch extern im Rahmen anderer Ausstellungskontexte (z. B. in Zusammenarbeit mit dem medizinhistorischen Verein „Freundeskreis Pesthaus“, der im geplanten Museum einen Ausstellungsbereich über das Kriegssanitätswesen bedienen soll) gezeigt werden. Er wäre dann nicht nur von historischem Interesse getragen, sondern könnte auch als Teil einer Öffentlichkeitsarbeit dienen, die bestehend aus Veranstaltungen, Workshops, Diskussionsrunden, Medienarbeit etc. dazu angetan wäre, Frauen auf den Beruf der Sanitäterin aufmerksam zu machen und für diesen zu begeistern.

GEFÖRDERT WERDEN SOLL:

* Werkvertrag für eine Student:in für die Durchführung des sozialwissenschaftlichen Teils des Projekts mit Herstellung einer Bachelorarbeit.

* Kosten brutto inkl. Dienstgeberbeiträge und Arbeitnehmer-anteiligem Betriebsaufwand einer 100-%-Stelle zur Ermöglichung der Dienstfreistellung des Archivars für einen Monat, um die mit dem sozialwissenschaftlichen Teil beauftragte Student:in betriebsintern betreuen, den historischen Teil des Projekts auch hausextern durchführen zu können und den frauenspezifischen Ausstellungsbereich planen und herstellen zu können.

* Materielle Herstellung des Ausstellungsbereichs (Vitrine, Beschriftung, Texttafeln etc.)
Druckkostenzuschuss für die Publikation

* Durchführung Veranstaltungen, Workshops, Diskussionsrunden, Medienarbeit, um Öffentlichkeit zu generieren (Moderation, Anzeigen, Leaflets, Nachbearbeitung etc.)

* Teilfinanzierung des Eigenmittelanteils (neben EU-Förderung) der betriebsinternen Kampagne „#taktgefühl“.